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Eine neue Welt ist nicht nur möglich, sie ist schon am Werden. An einem stillen Tag kannst du sie atmen hören.
Arundhati Roy

Man muss das Unmögliche so lange anschauen, bis es möglich wird. Das Wunder ist eine Frage des Trainings.
Charles Einstein

Es gab eine Zeit, da wäre Contact Improvisation noch nicht einmal vorstellbar gewesen.
Steve Paxton

Ich setzte meinen Fuß in die Luft, und sie trug.
Hilde Domin

CONTACT IMPROVISATION & WANDEL

Als Menschheit stehen wir im Moment an einem Punkt, an dem die Sehnsucht nach einem tiefgreifenden Wandel spürbar wird. Wir wissen aber noch nicht so recht, wie dieser Wandel zu bewerkstelligen ist. Eigentlich muss ein Wunder geschehen.

Die zeitgenössische Tanzform Contact Improvisation erforscht den Zustand des Nichtwissens, lässt uns Verbundenheit erleben und verlangt uns die Bereitschaft ab, berührbar zu sein. All das – und noch viel mehr – kann uns in diesem großen Veränderungsprozess als Übungsraum, Spielwiese und Experimentierfeld dienen. Das Wunder könnte tatsächlich eine Frage der Übung sein: In einem geschützten und bewussten Rahmen experimentieren wir mit neuen Formen menschlichen Miteinanders und erleben etwas anderes als das Gewohnte als wahr; wir betreten einen Möglichkeitsraum.

Wohin wir dabei gelangen, können wir nicht vorher wissen. Die Lösung für die Krise der Menschheit wird sich uns kaum allein durch Denken eröffnen. Neue Wahrheiten wollen wahrgenommen werden – mit allen Sinnen. Es ist wohl eine Reise in ein Land, das beim Reisen entsteht. In den Dienst dieser Reise möchte ich meine Arbeit stellen.


⚪ WAS IST CONTACT IMPROVISATION?

Es gibt keine offizielle Definition für die Contact Improvisation. Es gibt auch kein Trademark, kein Zertifikat, das Menschen zum Unterrichten befähigt, keinen Zentralverband. Contact Improvisation ist ein offenes lebendiges System, zu dessen Weiterentwicklung alle beitragen können, die sich ihr widmen: tanzend, unterrichtend, forschend, reflektierend.

Die Essenz lässt sich schwer in Worte fassen, sie will erlebt werden. Wenn ich hier versuche, mit Worten (meinen eigenen und denen anderer) ein Bild davon entstehen zu lassen, nähere ich mich am besten von ganz verschiedenen Seiten:


„Contact Improvisation ist Bewegungsstudium durch Bewusstheit und Bewusstheitsstudium durch Bewegung.“
Curt Sidall

Ich kenne deinen Namen nicht, habe dich nie zuvor gesehen – und doch lasse ich gerade meine Stirn über dein Schulterblatt rollen, gleich darauf streift dein Fuß meinen Ellbogen. Ein kurzer Blickkontakt, dann kippst du in meine Richtung und ich stelle dir meine Flanke zum Landen zur Verfügung. Wir lehnen aneinander und sinken gemeinsam zu Boden, du rollst über mich, wir nutzen den entstehenden Auftrieb, um wieder auf die Füße zu kommen, laufen nebeneinander her, dann springe ich dir auf die Schulter und gleite kopfüber an dir herunter, jetzt hänge ich quer über deinem Becken und wir lauschen auf den nächsten Bewegungsimpuls, dem wir uns anvertrauen - ganz langsam und zart, bevor uns die nächste dynamische Welle ergreift.

„Ich frage mich, ob die Worte, um Contact Improvisation auf den Punkt zu bringen, überhaupt existieren.“
Steve Paxton

Contact Improvisation ist eine Spielart des zeitgenössischen Tanzes, die aus der politisch-künstlerischen Avantgarde der späten sechziger frühen siebziger Jahre heraus entstanden ist. Sie gibt keine feste Form vor, sondern stellt hohe Anforderungen an die Gegenwärtigkeit der Tanzenden. Bewegung entsteht aus dem Spiel mit Begegnung, ein Zustand aktiven Wahrnehmens weist uns den Weg, während wir die Möglichkeiten menschlicher Begegnung erforschen. Das ursprüngliche Anliegen, nämlich die Befreiung der Tänzer*innen vom Diktat der Choreograph*innen und die radikale Neudefinition von Tanz durch eigenes Forschen, ist nicht zu verkennen und wohnt heute noch in jeder Faser unserer Tänze: Wir sind – im besten Falle – die Schöpfer*innen unserer Bewegungen im bewussten Zusammenspiel mit all den Kräften, die auf uns wirken, und im Dialog mit den anderen Menschen im Raum.

„Contact ist eine Berührungsrevolution. Es ist eine Revolution gegen die Tyrannei der Nicht-Berührung. Es ist eine Politik der Bewegung von innen nach außen, die sich organisiert, um mit der Selbstverständlichkeit zu brechen, dass es immer Raum und Abstand zwischen Menschen geben muss. […] Abwehrmechanismen fallen von uns ab. Wir öffnen uns. Wir transformieren Hass und Angst. Wir ergreifen intuitive Maßnahmen.“
Karen Nelson

„Ich bin dazu übergegangen, CI als körperliches Ereignis zu betrachten, das am besten über die Negation beschrieben wird. Nicht Kunst, nicht Sport, das allermeiste nicht, was in diesem Jahrhundert Tanz charakterisiert.“
Steve Paxton

„Contact Improvisation ist ein ergebnisoffenes Erkunden der kinästhetischen Möglichkeiten von Körpern, die sich durch Kontakt bewegen. Manchmal wild und athletisch, manchmal still und meditativ, ist es eine Form, die offen ist für alle Körper und forschenden Geister.“
Ray Chung

Der Beginn war Avantgarde. Contact Improvisation konnte entstehen, weil sich Anfang der sechziger Jahre in New York eine Gruppe junger Tänzer*innen und anderer experimenteller Künstler*innen zusammen getan hatte, um gemeinsam den Tanz als Kunstform neu zu definieren.

Was bleibt übrig, wenn man auf Dekoration, Effekt, technische Raffinesse und auf einen klar definierten Bühnenraum verzichtet? Was passiert, wenn Tanz nichts mehr bedeuten muss, sondern wenn Bewegung pur, für sich und um ihrer selbst willen geschieht? Der Bruch mit den Selbstverständlichkeiten betraf neben dem Bewegungsvokabular auch Hierarchien in den Ensembles, Geschlechterrollen, Aufführungsorte. Es ging um eine Demokratisierung des Tanzes.

Warum sollte ein*e Choreograph*in den Tänzer*innen sagen, was sie zu tun haben? Der entscheidende Schritt zur Selbstermächtigung jede*r Tänzer*in war getan: Improvisation ermächtigt alle Tanzenden, Eigenes entstehen zu lassen. Warum sollte das nur auf der Grundlage von Musik entstehen können? Und warum muss es einen Unterschied zwischen Alltagsbewegungen und Tanz geben? Wenn die Zuschauer*innen einer Performance (auch) Bewegungen sehen, die sie kennen und ausführen können, schwindet die Distanz zu den Tänzer*innen. Das Publikum wird gewissermaßen zum Teil dessen, was es bezeugt und wird nicht aufs Bewundern reduziert. In diesem Geist entstand die Contact Improvisation.

Die Forschungsfrage der Performance Magnesium (1972), die als Geburtsstunde der CI gilt, war: Was passiert, wenn zwei Körper aufeinander treffen? Und das war eine in erster Linie physikalische Versuchsanordnung. Angelehnt an Newtons Gesetze der Mechanik fragten die Pionier*innen : „How does it feel to be the apple?“, gemeint ist: Wie fühlt es sich an, ein Körper zu sein, auf den Kräfte wirken?

Die Atmosphäre in diesen frühen Jahren war eine ernsthafte und sehr disziplinierte: immer diesem Zustand von Wachheit auf der Spur, der die direkte Ebene der Reflexe zugänglich und nutzbar macht und den planenden und urteilenden Geist umschifft. Die große Intimität, die beim Anspringen, Auffangen und Übereinanderrollen entstand, war auch für die Pionier*innen eine große Herausforderung und brachte sie an Grenzen von Scham und gesellschaftlichen Konventionen. Die Lösung bestand zunächst in einer strikten Trennung: Diese Intimität hat nichts mit Flirten und Sexualität zu tun. Es geht um die Physikalität von Bewegung.

Zu Beginn waren es ausschließlich athletisch geschulte Profis, die es sich zur Aufgabe machten, all diese Themen im Kollektiv zu erforschen. Zu den daraus entstandenen Performances luden sie z.B. unter dem Titel You come and we show you what we do ein – woraus sehr deutlich hervorgeht, dass der Prozess entscheidender war als das „Ergebnis“.

Was das Publikum zu sehen bekam, machte neugierig, der Geist sprang über. Menschen bekamen Lust, das selber zu erleben, wobei sie anderen begeistert und berührt zugesehen hatten. Dadurch wurde die zunächst programmatische Aufhebung der Distanz zum Publikum Wirklichkeit: Mit CI stieg Tanz herab von der Bühne, heraus aus den Tanzakademien, hinein in Kulturzentren, Parks, Turnhallen. Die Protagonist*innen der Contact Improvisation begannen durch die USA zu reisen und zu unterrichten. Das war ein entscheidender Schritt, die Herangehensweise musste sich ändern. Die Videos der Anfänge zeigen grobe Spring- und Fallexperimente - schlichtweg zu gefährlich für Ungeübte.

Zum einen mussten vorbereitende Übungen her, ein technisches Repertoire, das Menschen überhaupt erst in die Lage versetzte, Bewegung im Kontakt mit eine*r Partner*in zu improvisieren. Einiges konnte von asiatischen Kampfkünsten entliehen werden, insbesondere vom Aikido- und zwar sowohl was körperliche Fertigkeiten anbelangt (Weichheit, Durchlässigkeit, Fallen, Abrollen), als auch die Geisteshaltung (Achtsamkeit, Gegenwärtigkeit, Fokus), was ja ohnehin nicht zu trennen ist. Aber es entwickelten sich auch ganz eigene Übungen, und die ersten Prinzipien wurden benannt z.B. der ► „rolling point of contact“.

Zum anderen entbrannte eine Diskussion darüber, ob es nicht wichtig sei, ein Trademark einzuführen, um für Sicherheit zu sorgen und einen Überblick zu behalten, wer unterrichten darf und kann – aber zum Glück hatte niemand Lust, die Rolle der Contact-Polizei einzunehmen. Weil sich die Pionier*innen damals also gegen ein Trademark entschieden, operiert diese Bewegungskultur heute nach der Logik eines Open Source Systems: alle, die sie bewusst praktizieren, tragen durch ihr Tun zu ihrer Definition und Entwicklung bei. Nach annähernd einem halben Jahrhundert spannt sich inzwischen ein dezentrales und selbstorganisiertes Netzwerk über die ganze Welt. Es gibt in fast allen Ländern der Erde Menschen, die Contact tanzen. Sie treffen sich zu Workshops, Festivals und Konferenzen, sie tanzen, feiern und forschen gemeinsam, erfinden neue Formate und Strukturen und lassen eine globale Parallelkultur entstehen.

Es gibt nach wie vor weder eine zentrale Organisation, noch einen rechtlichen Träger oder einen akkreditierten Abschluss, geschweige denn ein Curriculum oder eine Einigung auf Techniken, die man beherrschen muss, um dabei sein oder unterrichten zu dürfen. Tatsächlich kann jeder Mensch CI praktizieren – auf die ihm oder ihr mögliche, angemessene und angenehme Art und Weise. Das gilt auch für Menschen mit gravierenden körperlichen Beeinträchtigungen, weil es eben wirklich weder Bedingungen noch Voraussetzungen gibt und CI auf jedem erdenklichen technischen „Niveau“ getanzt werden kann: hochakrobatisch und dynamisch, fliegend, springend, fallend, die Grenzen des physikalisch Machbaren auslotend oder scheinbar überschreitend, aber eben auch so minimalistisch, dass von außen Bewegung kaum sichtbar wird, weil es eher eine energetische Begegnung ist. Die Entscheidung gegen eine Reglementierung durch ein Trademark bedeutete, dass die Pionier*innen die Kontrolle über das abgaben, was sie selber entwickelt hatten - ein Akt großen Vertrauens in die Tragfähigkeit des Prinzips Contact Improvisation.

Die Contacter*innen der ersten Generation konnten der Versuchung widerstehen, den Freiraum, den sie sich errungen hatten, für die „Unwissenden“ enger zu fassen, weniger frei zu gestalten. Sie sind dabei das große Risiko eingegangen, dass dieser Raum, der ihnen so unendlich wertvoll ist, verformt, verflacht, verkannt, ja missbraucht werden könnte. Und die Gefahr besteht natürlich. Doch viel stärker und tragfähiger ist die Kraft, die frei wird, wenn wir Tanzenden erleben, dass jede*r Einzelne von uns mitgestaltet - dann werden wir Verantwortung für eben diesen Raum übernehmen.

Ich glaube, dies ist ein Vorgang von großer transformatorischer Kraft. Genau solche Orte von kollektiver Verantwortung und individuellem Beitragen braucht unsere Welt jetzt.

Bei all dem erscheint es nicht besonders verwunderlich, dass Definitionsversuche mit dem Anspruch einer umfassenden Gültigkeit zwar immer wieder unternommen, aber genauso oft verworfen wurden. Einen Konsens gab es vor einigen Jahren hierüber: Es entsteht im Laufe der Jahre ein ständig dichter werdender Rahmen von sinnvollen Prinzipien und hilfreichen Techniken (körperlichen und mentalen), die man lernen, üben und weiterentwickeln kann. Sie bilden eine Art Rahmen. Das was CI ausmacht, ist aber der leere Raum, den dieser Rahmen umschließt. Der Raum des Nichtwissens und der Absichtslosigkeit, der puren Präsenz, Wachheit und Authentizität, der Gleichzeitigkeit von Wahrnehmen und Agieren. Dieser Raum, in dem sich Improvisation und Begegnung im besten Falle in ihrer ganzen Unberechenbarkeit und Magie entfalten können. Und das ist die Kraft, die ich der Welt so wünsche, der Grund, warum ich Contact für politisch halte.


⚪ CONTACT IMPROVISATION ALS BEITRAG ZUM WANDEL

Der Wandel, von dem wir alle wissen, dass er ansteht, ist in erster Linie ein Bewusstseinswandel. Im Kern lautet die Frage wohl: Gelingt es uns, als Menschheit in unser volles Potenzial hinein zu wachsen, bevor wir uns unserer Lebensgrundlage berauben? Ich kann nicht formulieren, was genau dieses volle Potenzial ist, aber ich meine, bisweilen auf einer fokussierten ►Jam eine leise Ahnung davon zu bekommen. Ich bin mir recht sicher, es hat damit zu tun, dass jede*r Einzelne in Eigenverantwortung und tiefer Verbundenheit mit allen und allem ihr oder sein Ureigenes zum Wohle des Großen und Ganzen einbringt, das dann mehr wird als die Summe seiner Teile.

Können wir tanzend die Welt bewegen? Ja, das glaube ich. In ihren Wurzeln ist die Contact Improvisation zutiefst politisch. Es ging den Pionier*innen um Selbstermächtigung, Eigenverantwortung und ein radikales Hinterfragen des scheinbar Selbstverständlichen. Und genau das erleben wir beim Tanzen: Wenn ich meine Wahrnehmung schule, befähigt mich das, selbst zu gestalten anstatt Vorgegebenes zu reproduzieren.
Wenn ich mich anderen in meiner ganz eigenen Eigenart zumute,
finde ich meinen Platz im großen Gefüge.
Wenn ich tiefe Verbundenheit zulasse, erlebe ich Eigenständigkeit.
Wenn ich die Kontrolle aufgebe und nicht mehr um meine Sicherheit bange, bin ich frei.
Wenn ich mich ganz dem gegenwärtigen Moment anvertraue, öffnet sich sich der Blick auf einen Möglichkeitsraum, den ich kaum denkend oder planend erschaffen kann.

Die Erfahrungen, die wir mit der Contact Improvisation machen, können meiner Einschätzung nach eine wichtige Grundlage darstellen, um den Blick zu weiten für Lösungen, die wir als Gesellschaft zu finden haben auf die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit. Auf einer ►Jam bekommen wir eine Idee davon, in welcher freudvollen Leichtigkeit und in welchem Vertrauen auf die Selbstorganisation von Systemen menschliches Miteinander möglich ist. Und das lässt sich auf so unterschiedliche Bereiche übertragen wie Bildung und Umgang mit Kindern, Demokratieforschung, Arbeits- und Organisationsprozesse, Vielfalt und Inklusion, Kommunikation, neue Formen des Wirtschaftens.

„Das Wunder ist eine Frage der Übung“. Also beginnen wir mit dem Üben!

Konkrete Beispiele finden sich in Formate und Arbeitsfelder
Weiterer Lesestoff unter Publikationen

FORMATE & ARBEITSFELDER

⚪ FORMATE

„Die Orientierung zu verlieren ist wahrscheinlich der erste Schritt, um neue Systeme zu finden. […] Das Vertraute, das so verwurzelt ist in unseren Nervensystemen und Gehirnen, zu verlassen, erfordert Disziplin. […] Wir versuchen nicht nur, die bekannten Systeme hinter uns zu lassen, sondern auch zu erkennen, wie wir uns an diese Systeme angepasst haben. Es ist die Gewohnheit, uns anzupassen, die dazu führt, dass wir das System fortwährend reproduzieren.“
Steve Paxton


Contact Improvisation konnte sich nur entwickeln, weil Tänzer*innen das Risiko eingingen, alles Selbstverständliche über den Haufen zu werfen. Dieser Mut hat etwas erstaunlich Neues hervorgebracht: eine Kultur, sich miteinander zu bewegen, die in bemerkenswertem Kontrast zu unseren alltäglichen Begegnungsräumen steht, und uns folglich vor große Herausforderungen stellt.

Wie gehen wir mit diesem so Andersartigen um, welchen angemessenen Rahmen gibt es zum Lernen und Praktizieren?

Es braucht auf der einen Seite Formate, die offen genug sind, um ein Neuschöpfen immer wieder zu ermöglichen. Auf der anderen Seite ist auch ein klarer und geschützter Raum vonnöten – gemeinsame Vereinbarungen und „Disziplin“, denn nur mit etwas Distanz zum Selbstverständlichen, in Auseinandersetzung mit Urteilen und Scham erlangen wir Freiheit.


BEWÄHRTE & EXPERIMENTELLE FORMATE

In den letzten Jahren habe ich mich auf die Suche nach neuen Formaten gemacht.

Welche Formen, Strukturen, könnten angemessen und förderlich sein für das Praktizieren der Contact Improvisation? Welchen Rahmen brauchen wir, damit sich das Potenzial voll entfalten kann und wir nicht fortwährend das System reproduzieren, das wir eigentlich überwinden wollen?

Hier eine kleine Übersicht. Einzelheiten und Termine im Kalender und im Archiv.


Kurse und Workshops

Hier gebe ich meine Erfahrungen und Herangehensweisen weiter. Wenn ich unterrichte, ist das keine reine Technik, ich vermittle eher Prinzipien, häufig eine Kombination von Contact-Praxis und Themen des Bewusstseinswandels. Gern auch für Gruppen von Menschen, die sich sonst nicht ohne Weiteres begegnen würden.

Dieses Format empfinde ich eher als Auslaufmodell. Alleine vor einer Gruppe Schüler*innen zu stehen kann auf die Dauer auch ein recht einsamer Job sein. Und ich glaube auch, dass es der Contact Improvisation nur bedingt zuträglich ist, nach dem klassischen Unterrichtsmodell zu lernen, wo alle zur gleichen Zeit das Gleiche üben. Unterstütztes Forschen an den Themen, die für die Einzelnen gerade dran sind, halte ich für sinnvoller (s. Forschungsräume).

Einzelarbeit

Gern arbeite ich auch einzeln mit Menschen, die sich Begleitung wünschen bei der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Körperlichkeit. Wir nehmen uns in einem geschütztem Rahmen Zeit zum Erkunden (meist 90 min). Ich folge dabei keinem Konzept, keiner Methode sondern folge meiner Wahrnehmung und Intuition. Wesentlich ist mir dabei immer, dass die Person selbst Thema und Tempo bestimmt.

>MEHR: Geschichte „“Künstlich“, S. 19 im braunen Buch der Textsammlung „Eine berührbare Welt“ (Publikationen)

Underscore Jams

Bewusste Räume, Contact Improvisation zu praktizieren

>MEHR: im ►Glossar und im Kapitel „Underscore“, S. 56 im schwarzen Buch der Textsammlung „Eine berührbare Welt“(Publikationen)

Forschungsräume

Da ein wesentlicher Impuls für die Entstehung der Contact Improvisation der Wunsch nach Selbstermächtigung war, glaube ich fest daran, dass eigenverantwortliche oder auch begleitete Forschungsräume ein wesentlicher Teil unserer Contact Praxis sein sollten. Je mehr CI aber zu einer reinen Freizeitbeschäftigung wird, desto mehr gerät dieses Format in Vergessenheit. Das ist nicht verwunderlich, denn es erfordert ein hohes Maß an Disziplin und Reflexionsbereitschaft aller Beteiligten, bringt uns aber zur Urfrage der Pionier*innen zurück: Wie entsteht Tanz, wenn es keine äußeren Vorgaben gibt? Was genau tun wir, wenn wir zusammen tanzen? Ich selbst bin froh, mir solche Experimentierfelder auf Augenhöhe mit Kolleg*innen geschaffen zu haben. Dort kann ich immer weiter lernen und mich selbst überraschen.

>MEHR: Geschichten „Das schlimmstmögliche Duett“ oder „Wann ist Jetzt?“, S. 38 und 47 im braunen Buch der Textsammlung „Eine berührbare Welt“ (Publikationen)

Fortbildungen

Ich gebe Fortbildungen für Menschen, die neugierig sind, sich durch einen kleinen Einblick in die Contact Improvisation neue Räume für ihr Arbeitsfeld zu erschließen. Im Moment sind das überwiegend Menschen aus pädagogischen Berufen (Erzieher*innen, Lehrer*innen, Theaterpädagog*innen, Therapeut*innen). Aber es zieht mich immer mehr in Bereiche wie Gesundheitswesen (Pflege, Salutogenese), politische Felder (Demokratieforschung, Partizipation) und Organisationsentwicklung. Im Grunde bin ich der Meinung, dass sich all diese Felder ohnehin nicht trennen lassen und letztendlich alles politisch ist, weil es die Kultur gestaltet, in der wir Menschen den Versuch des Zusammenlebens unternehmen.

>MEHR: Geschichten „Physik und Biologie“, S. 118 im braunen Buch der Textsammlung „Eine berührbare Welt“ sowie im türkisen Heft ab S. 78 (Publikationen) und Geschichte „Etwas leisten“ S. 54 im grünen Heft „Der Getanzte Vortrag - einen Haltungswandel bezeugen. Die zeitgenössische Tanzform Contact Improvisation im Dienst des gesellschaftlichen Wandels.“ (Publikationen)

Begegnungen

Eigentlich finde ich, dass das klassische Konzept von Unterricht nicht besonders geeignet ist, unter anderem, weil es mehr als einen Menschen braucht, um eine Kultur wie die Contact Improvisation weiterzugeben. Ich experimentiere daher seit einiger Zeit mit dem Format Begegnung: Contacter*innen treffen sich und forschen (z.B. einen Tag lang) gemeinsam, was sie brauchen, damit Contact in einem ganz bestimmten, bisher nicht so selbstverständlichen Kontext stattfinden kann: was will ausprobiert, reflektiert, bedacht werden? Welche Fragen, Vorbehalte oder Befürchtungen brauchen Raum? Im Anschluss gestalten wir basierend auf den Erlebnissen des Forschungstages gemeinsam die Begegnung mit einer Gruppe, für die Contact noch etwas ganz Neues ist. Und zum Schluss teilen und reflektieren wir unsere Erlebnisse.

>MEHR: Geschichte „Spüren statt sehen“ und Zyklus „Jam inklusiv“, S. 110 und 131 im braunen Buch der Textsammlung „Eine berührbare Welt“ (Publikationen)


FORMATE ZUM ZUSCHAUEN

Weil nicht alle Menschen sich trauen, CI sofort am eigenen Leib auszuprobieren, ist es schön, wenn es auch Möglichkeiten zum Zuschauen gibt - auch so kann etwas erlebbar werden. Schon von den ersten Contact-Performances („You come, we‘ll show you, what we do“, 1972) wird berichtet, dass das Publikum verschwitzt und energetisiert den Raum verließ, fast als hätten sie selbst getanzt. Für die unten beschriebenen Formate haben wir ähnliche Rückmeldungen bekommen.


Getanzter Vortrag

Gemeinsam mit meiner Freundin und Kollegin Eva Daubert habe ich einen „getanzten Vortrag“ entwickelt. Er entstand aus dem Anliegen heraus, das, was beim Praktizieren der Contact Improvisation erlebbar ist und beim Zuschauen im besten Fall sichtbar wird, zu verbinden mit Ideen, die wir zum gesellschaftlichen Wandel haben bzw. gelesen haben – insbesondere denen von Charles Eisenstein. Der Rahmen ist denkbar einfach: Die Zuschauer*innen sitzen im Kreis, wir tanzen in der Mitte ein Contact-Duett. Da es sich ja um Improvisation handelt, wissen wir nie, was passieren wird, es ist also jedes Mal anders, nie planbar. Anhand dessen, was unser Duett hervorbringt, also ausgehend vom jeweiligen Moment, sprechen Eva und ich während des Tanzens aus, was wir gerade wahrnehmen, tun, nicht tun. Wir benennen Gefühle, die damit einhergehen - und wir stellen die Verbindung her zu den Momenten, die wir als Wegweiser für Veränderung in der Welt sehen. Wenn wir aneinander lehnen und ganz deutlich ist, wie Geben und Nehmen von Gewicht einander bedingen, also nicht die eine von uns „ärmer“ und die andere „reicher“ wird, dann sprechen wir über Schenkökonomie. Wenn der Tanz in der Schwebe ist, und wir horchen, wohin es weitergehen will, dann versuchen wir Worte dafür zu finden, wie nötig es ist, dass wir als Menschheit innehalten und anerkennen, dass wir nicht genau wissen, wie es weitergehen kann. Im Kreis außen wird eine Kugel als „Redestab“ herumgegeben. Wer sie in der Hand hat, kann sprechen. Beim Tanzen zu hören, was außen sichtbar wird, und was für Assoziationen unsere Bewegungen auslösen, ist für uns wunderschön. Es gibt neue Impulse und öffnet den Dialog mit denen, die unseren Tanz teilnehmend bezeugen.

>MEHR:
Heft „Der Getanzte Vortrag - einen Haltungswandel bezeugen. Die zeitgenössische Tanzform Contact Improvisation im Dienst des gesellschaftlichen Wandels.“ (zum Heft)

Geschichtenzyklus „Der getanzte Vortrag“, ab S. 72 im braunen Buch der Textsammlung „Eine berührbare Welt“ (zur Textsammlung)

Rezension: "Große Themen tanzend vermittelt" (Nordbayern.de)

Berührung im öffentlichen Raum
– Berührung des öffentlichen Raumes

In einer Welt von Unverbundenheit, Skepsis und Distanziertheit kann es schon eine heilsame Geste sein, wenn eine andere Kultur sichtbar und als Möglichkeit wahrnehmbar wird (Kommentar: „So können Menschen miteinander sein!“). Deshalb verspüre ich immer wieder den Wunsch, Contact Improvisation nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich sichtbar zu praktizieren: auf Plätzen, in Parks, wo auch immer. Eine Teilnehmerin an solch einem Versuch, den wir in Dresden unternommen haben, fasst ihre Eindrücke sehr eindringlich zusammen: „Ich mache eine Ausbildung zur Bühnentänzerin und daher hat Tanz für mich ganz viel mit Zeigen und Präsentieren zu tun. Als ich dann die Contact Improvisation kennenlernte, war ich erstaunt, dass sich alle so versteckten – und gleichzeitig war ich erleichtert, nichts leisten zu müssen. Was wir heute gemacht haben, war weder das eine noch das andere.“ Es gibt also etwas zwischen den Extremen von Zeigen und Verstecken. Einfach sein und anderen erlauben, es zu bezeugen.

>MEHR: Geschichten "Das kennt der normale Mensch nicht",„Die Würde des Menschen ist anfassbar“ und „Frau am Fenster“ (S. 70, 87 und 107 im braunen Buch der Textsammlung „Eine berührbare Welt“ (Publikationen))


VEREIN

Contact Improvisation braucht unseremem Empfinden nach eine breitere Basis, eine Öffnung in andere Bereiche der Gesellschaft, um auch ihr politisches Potenzial entfalten zu können.
Um diese Arbeit voranzutreiben, um Menschen mit ähnlichen Anliegen zu vernetzen und dadurch handlungsfähiger zu machen, haben 2015 ein paar ähnlich Gesinnte einen Verein gegründet: contact bewegen e.V.
Der Verein bietet uns eine rechtliche Grundlage, mit anderen Institutionen zusammenzuarbeiten und neue Felder des Wirkens zu schaffen. Noch befindet er sich in der Aufbauphase und soll langsam wachsen.

>MEHR: Website contact bewegen e.V.


⚪ ARBEITSFELDER

„Contact ist ein Schlüssel, der uns Zugang verschafft zu einem ganzen Bereich menschlicher Interaktion, zu dem die meisten Leute sonst nicht gelangen würden […], aber welche realen Beschränkungen führen dazu, dass die Contact Improvisation das abgegrenzte Spezialgebiet einiger Weniger bleibt?“
Rick Knowlton


Ich liebe es, CI an Orte bzw. zu Menschen zu tragen, die nicht ohne Weiteres damit in Berührung gekommen wären. Schon seit vielen Jahren zieht es mich also aus dem reinen Tanz-Kontext hinaus in Schnittmengen mit verschiedensten Bereichen gesellschaftlichen Lebens, für die die Contact Improvisation wegweisende Impulse geben kann. Das mag so klingen, als ließe sich die Contact Improvisation für alle möglichen „Lernziele“ funktionalisieren. Dem ist nicht so. Sie ist keine Methode.

Sie lehrt uns eine Haltung und bietet uns einen Erfahrungsraum, ein Experimentierfeld, in dem wir uns selbst und andere so grundlegend anders wahrnehmen können als im Alltag, dass dieses neue Erleben uns Möglichkeiten aufzeigen kann, die wir so nicht hätten denken können. Aus diesem Grund halte ich die Contact Improvisation für ein „Zukunftslabor“. Der Freiraum einer ►Jam hat ganz andere Dimensionen als eine kleine Übung, die ein Seminarleiter bei einem Workshop einbaut, um einen Lerninhalt zu verkörpern und das Behauptete praktisch zu „beweisen“.



Wirtschaft

Geben – Nehmen – Teilen – einander brauchen - ein Organismus sein

Der Ökonom John Maynard Keynes schrieb bereits 1930 in seinem berühmten Aufsatz „Die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkel", diese Enkel - also wir! - "sollten vielleicht wieder lernen zu tanzen, statt weiter nach ökonomischer Effizienz zu streben." Wenn das keine Steilvorlage ist!
Beim Contact erleben wir, wie Geben und Nehmen einander bedingen, und uns nicht eines reicher und das andere arm macht, wie betriebswirtschaftliches Denken uns suggeriert. Und da es sicher viele Schritte sind, die wir gehen müssen auf dem Weg hin zu einem wirklich anderen Wirtschaften, das nicht der Gier folgt, sondern dem Vertrauen, halte ich die Contact Improvisation für einen überaus wertvollen Erfahrungsraum, um den Segen des Teilens sinnlich und real zu erleben. Wenn etwas rein gedanklich nicht zu fassen ist, kann Spüren helfen. Eine Frau vom Tauschring, bestätigte mir, wie wertvoll diese Verknüpfung sei. Zu ihr kommen oft Leute, sagt sie, die von der Tauschidee begeistert sind, aber fest davon überzeugt sind, dass sie nichts zu geben haben und deshalb nicht mitmachen können. In einem Contact Duett zu spüren, dass ihre pure Anwesenheit Ausgangspunkt für alles Weitere ist, könnte eine wertvolle Erfahrung sein. Wir haben uns so weit in die Rolle der Konsument*in hineinmanipulieren lassen, dass wir das Gefühl für den eigenen Selbstwert verloren haben.
Beispiel: Wirtschaftsunternehmen Der Wille zum Wandel zeigt sich nicht nur in freien Initiativen, sondern auch in großen Unternehmen. Es werden ethische Banken gegründet, und Betriebe suchen nach Organisationsformen, die ihre Mitarbeiter*innen nicht zu Rädchen im Getriebe degradieren. Sie orientieren sich nicht am Prinzip der Maschine sondern betrachten sich als lebendigen Organismus. Sie ersetzen Machthierarchien durch funktionale und stellen den Mensch in den Mittelpunkt. Auch Menschen, die in derart zukunftsweisenden Betrieben arbeiten, stolpern natürlich immer wieder über alte Konditionierungen, die sie daran hindern, ihre Visionen in aller Konsequenz zu leben. Und sie suchen nach Übungsfeldern. Die Contact Improvisation kann solch ein Feld sein.

Bildung

Forschende Haltung – eigenmotiviertes und ergebnisoffenes Lernen – Augenhöhe – Schulen der Wahrnehmungsfähigkeit - Berührbarkeit

So gut wie alle reformpädagogischen Ansätze, die ich kenne, laufen darauf hinaus, sinnliche Erfahrungen zu ermöglichen, auf Lernwillen und Neugier zu vertrauen und ein zwischenmenschliches Verhältnis jenseits von Hierarchien zu kultivieren. All das sind Dinge, die wir beim Contact üben können. Bei meiner Arbeit mit Lehrer*innen und anderen Menschen, die im pädagogischen Bereich arbeiten, spüre ich: es herrscht Ratlosigkeit, wie man die neuesten Erkenntnisse aus Pädagogik und Hirnforschung denn praktisch umsetzen soll. Der Lernbedarf ist riesig. Ebenso die Bereitschaft, sich auf ungewohnte Experimente einzulassen. Im Mai 2015 gab ich einen Workshop beim „SINNposium Bildung und Bewusstsein - Bildung berührt“ (ein mutiger Titel in einer Zeit, in der man in Schulen mit jeder Berührung unter Missbrauchsverdacht steht). Die zusammenfassende Erkenntnis einer Workshop-Teilnehmerin: „Jetzt verstehe ich überhaupt erst in vollem Ausmaß den Titel dieser Veranstaltung. Ich bin ja nur berührbar, wenn ich selber anwesend bin. Und das kann ich nur sein, wenn ich mich selbst spüre, auch körperlich. So wie heute habe ich mich noch nie gespürt. Mir wird gerade bewusst, wie sehr ich mich immer hinter meiner Rolle und meinem Lehrplan versteckt habe.“ Ich wünsche mir viele Erzieher*innen und Lehrer*innen, die Contact-Erfahrungen machen und sich dann trauen, sie mit in ihren pädagogischen Alltag zu nehmen, wie unterschiedlich das auch immer in der Praxis aussehen mag. In der Krippenpädagogik kann es schlichtweg heißen: sich öfter zu den Kindern auf den Boden zu legen und an ihren Bewegungsforschungen Anteil zu haben - auf Augenhöhe.

Diesem Thema widmet sich mein neues Buchprojekt:
Mit Kindern auf der Erde sein

Politik

Vielfalt wertschätzen - Selbstwirksamkeit in Verantwortung erleben - Kooperation und Co-Kreation üben - Demokratie erforschen – berührbar und authentisch anwesend sein - gleichzeitig handeln und wahrnehmen

Die Contact Improvisation ist oft als demokratischste aller Tanzformen bezeichnet worden. Und ich denke tatsächlich, dass wir uns beim bewussten Jammen eine Menge politischer Fertigkeiten aneignen. Vor allem dann, wenn wir Politik nicht im Sinne von Parteipolitik und Staatenbeziehungen verstehen, sondern ganz umfassend als Regelung der Angelegenheiten des Gemeinwesens. Ich verspüre große Lust, Formate für die politische Bildung zu ersinnen, die darauf beruhen, abwechselnd zu tanzen und Gespräche darüber zu führen, was Menschen wirklich brauchen, um ihr Zusammenleben auf diesem Planeten zu regeln – bzw. eben nicht zu regeln, sondern auf Selbstregulation zu vertrauen. Damit wir immer weniger Gesetze brauchen und zu immer mehr Eigenverantwortung willens und in der Lage sind. Bei einer ►Underscore Jam erleben wir einen solchen sich selbst organisierenden Raum! Die im Moment so inflationär benutzen Begriffe „Inklusion“ und „Teilhabe“ bekommen dann eine weitere Bedeutung. Es geht um Vielfalt, um den unbedingten Wert des Verschiedenseins. Nicht darum, Minderheiten an einer Mehrheitskultur „teilhaben“ zu lassen.

Des Weiteren stelle ich mir diese Fragen:
Was für Anregungen braucht die Welt des Politischen von Körperforscher*innen?
Und wie kann die somatische Szene sich in Richtung gesellschaftlichen Engagements bewegen?

Mit der immer noch vorherrschenden Trennung zwischen dem Privaten und dem Politischen geht die Idee einher, es gebe einerseits die anstrengende, trockene, bürokratielastige Arbeit am Gemeinwesen (hoffnungslos unsexy) und andererseits jene genüsslichen Orte, an denen wir uns nähren, davon erholen und ganz wir selbst sein können. Aktivist*innen des Wandels erleben reihenweise burnout-ähnliche Symptome, während Embodiment-Spezialist*innen nicht aus ihrer genüsslichen Blase hinausfinden. Wie können wir dazu beitragen, dass sich die Ahnung in der Welt verbreitet, dem Sinnlichen, Lustvollen, Spielerischen könne unsere stärkste politische Kraft innewohnen? Was ändert sich, wenn wir uns der Vorstellung öffnen, das was uns wirklich nährt und lebendig macht, könne der Urboden für die Gestaltung unseres Gemeinwesens sein? Wir können beginnen zu begreifen, dass wir den so dringend nötigen gesellschaftlichen Wandel nicht per Kraftakt herbei arbeiten können, sondern dass es uns inspiriert, der Weisheit zu lauschen, die allem Lebendigen innewohnt. Der Ort, an dem ich „der Natur“ am nächsten bin ist ja der eigene Körper, die erfahrbare Kreatürlichkeit. Ich spüre dass ich aus den gleichen Stoffen bestehe, wie die Welt, der Planet. Wir beide brauchen gleichermaßen Fürsorge und wertschätzende Aufmerksamkeit. Daraus erwächst ein angebundenes Handeln.

>MEHR: Geschichten „Nach der Demokratie“, „Nichtversichertsein“ und „Paradox und Paranioa“ (S. 64, 66 und 68 im braunen Buch der Textsammlung „Eine berührbare Welt“ (Publikationen)

Gesundheitswesen

Körperlichkeit erleben – Bewegung aus der Wahrnehmung heraus - Somatisches Lernen - Salutogenese – heilsame Berührung

Contact Improvisation ist eine salutogenetische Praxis. Sie fördert die Wahrnehmung der eigenen Leiblichkeit und setzt der Monotonie alltäglicher funktionaler Bewegungen eine Vielfalt und Freiheit an Möglichkeiten und Richtungen entgegen – zumindest lädt sie uns dazu ein, ob wir die Einladung annehmen oder in den bekannten Abläufen verweilen, ist unsere Entscheidung. Wir lernen darüber hinaus, ökonomisch mit Spannung und Entspannung umzugehen: wir erkennen, wie wenig wir festhalten, anspannen und kontrollieren müssen, wenn wir in Dialog mit den Kräften treten, die auf unseren Körper wirken und uns zu ihnen in Beziehung setzen, um sie für Bewegungsabläufe zu nutzen, anstatt uns gegen sie zu wehren. Wir schärfen unsere Sinne und erfahren, dass wir unserer Wahrnehmung vertrauen und sie zur Grundlage unseres Handelns machen können. Das trifft insbesondere auf die Nahsinne zu, die in einer von Sehen und Hören dominierten Welt zu verkümmern drohen. Die Contact Improvisation ist ein großes somatisches Lern- und Experimentierfeld. Statt meines Arztes kann ich zunächst einmal selber die Expert*in für meinen Körper und meine Gesundheit sein – weil ich ihn wahrnehme, und zwar nicht erst dann, wenn er wehtut. Und auf einer professionellen Ebene kann CI Inspiration sein für Menschen, die Berührungskünste ausüben (Massage, Physiotherapie etc.) und nach Augenhöhe und Gegenseitigkeit im Kontakt suchen. Diejenigen, die mit Kinaesthetics arbeiten - sehr kurz gefasst ein Ansatz, Bewegungsforschung für die Pflege nutzbar zu machen – können hier den spielerischen Aspekt ihrer Arbeit kultivieren.



Die Arbeit in all diesen Feldern stellt mich immer wieder vor die große Herausforderung, an die Contact Improvisation (einst von jungen, athletisch geschulten Menschen entwickelt) so heranzugehen, dass sie wirklich für alle Menschen praktizierbar ist, egal welche körperlichen Voraussetzungen diese mitbringen: Kinder, Erwachsene und alte Menschen, Schwangere, Dicke und Dünne, Mutige und Ängstliche, Trainierte und Ungeübte, Hörende und Gehörlose, Sehende und Blinde, Menschen im Rollstuhl, ...

Diese Herausforderung gefällt mir, denn sie bringt mich immer wieder zu der Frage zurück: was braucht es, damit sich Menschen begegnen können? Welche Voraussetzungen sind nötig, um den Boden zu bereiten für eine berührbare Welt?

Eine von vielen Antworten: Ein Raum, in dem alles sein darf - in Achtsamkeit und Respekt.

STANDING WITH THE EARTH

Mit der Erde stehen in Verbundenheit & Demut und als Akt des stillen Widerstands

Dies ist ein Ruf
Kein Ruf zu den Waffen.
Ein Aufruf, zu stehen.
Mit der Erde zu stehen.
Lucia Renée

Standing with the Earth Kurzfilm von Martin Consler
über unsere 4stündige Aktion in Freudenstadt (Oktober 2019)

English Version

Standing with the Earth ist ein Aufruf zum gemeinsamen Innehalten und Wahrnehmen in Zeiten tiefgreifender Krise und Ratlosigkeit.



Nötiger Wandel

Wir können den so dringend nötigen Wandel nicht durch einen Kraftakt herbeiführen. In Ruhe zu lauschen kann uns helfen, weder in lähmende Verzweiflung noch in blinden Aktionismus zu verfallen.
Die Verbundenheit mit der Erde spüren - das ist im Moment vielleicht mit das Radikalste, was wir tun können: zärtlich, solidarisch und unbeirrbar.

Das könnte ansteckend sein, denn in uns Menschen gibt es eine tiefe Sehnsucht danach, endlich wieder zu fühlen, dass wir nicht stumpf funktionierend unser Leben fristen müssen, sondern lebendig und verbunden sind – wir brauchen vielleicht nur Gelegenheiten, es (gemeinsam) zu erleben.

Standing with the Earth kannst du auf ganz verschiedene Weisen praktizieren:

...als stille tägliche Praxis allein in deinem Garten oder einem Park (zum Beispiel kannst du dich den Menschen anschließen, die es im Moment an ganz verschiedenen Orten jeden Morgen von 8 bis 8.15 tun);
...als Teil einer Demonstration oder Kundgebung, z.B. einige FFF- Ortsgruppen haben es aufgegriffen
...als Praxis auf öffentlichen Plätzen, auch das kann regelmäßig stattfinden
...als Ritual, z.B. bei tiefenökologischen, wildnispädagogischen Workshops oder anderen Veranstaltungen, die sich dem „Sacred Activism“, dem spirituellen Aktivismus widmen

Extinction Rebellion hat das Standing zum Teil seiner Praxis gemacht. Bei den letzten Waves standen in Berlin Hunderte auf der Wiese vor dem Reichstag.



In meinem Buch WENN WIR WIEDER WAHRNEHMEN (s. Publikationen) berichte ich ausführlich von unseren Erfahrungen, mit Standing with the Earth stunden-, teilweise tagelang auf öffentlichen Plätzen verschiedener deutscher Städte zu stehen: Berlin, Freiburg, Freudenstadt, Fürth, weitere werden folgen.

Zeitungsartikel

>MEHR: Website "Standing with the Earth"

TERMINE

⚪ REGELMÄSSIGES

Im Moment gebe ich keine fortlaufenden Kurse.

Im Kalender finden sich Hinweise zu kommenden Veranstaltungen.
Das Archiv lädt ein zum Stöbern in bereits Gewesenem.

Mehr zum Thema ►Umgang mit Geld


⚪ KALENDER


⚪ ARCHIV

PUBLIKATIONEN

⚪ BÜCHER

Eine berührbare Welt
Contact Improvisation als gesellschaftsbewegende Kultur

Die Textsammlung EINE BERÜHRBARE WELT (bestehend aus 6 Einzelheften) will dazu anregen, die Schätze der Contact Improvisation, die sich bisher in einer recht verborgenen Nische tummelt, gesellschaftlich wirksam werden zu lassen. Herzstück ist ein Geschichtenbuch, in dem ich von meinen ganz persönlichen Erlebnissen mit der Contact Improvisation erzähle.

Die Sammlung besteht aus diesen Teilen:
DER LEERE RAUM
DER ROTE FADEN
CONTACT-GESCHICHTEN
DAS KLEINE TAO DER CONTACT IMPROVISATION
CONTACT IMPROVISATION ALS ZUKUNFTSLABOR
CONTACT IN DIE WELT

Als Hommage an Joseph Beuys und seine Vision der Sozialen Plastik werden die einzelnen Hefte der Sammlung von einem Filzband zusammengehalten.


Heike explaining her book to Noel Perkins – a film by Mike Poltorak

Herausgegeben von
contact bewegen e.V.,
Dresden, 2016; ca. 400 Seiten


Bestellungen per → Mail Sockelpreis 14€ plus Spende nach Ermessen an den Verein contact bewegen e.V. Empfohlener Preis 28€ Das Buch ist außerdem auf vielen Festivals und Jams erhältlich. Es gibt derzeit lokale Verteiler*innen in diesen Städten: Augsburg, Basel, Berlin, Bonn, Bremen, Dresden, Erfurt/Rudolstadt, Hamburg, Ingolstadt, Freiburg, Köln, Leipzig, München, Nürnberg, Wien und im Wendland. Wir freuen uns über Menschen in weiteren Städten, die sich das vorstellen können.

→ ONLINE LESEN
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Rezensionen:
→ ZEITPUNKT: TANZ IST POLITISCH
→ OYA: BUCHBESPRECHUNG


Der Getanzte Vortrag - einen Haltungswandel bezeugen.
Die zeitgenössische Tanzform Contact Improvisation im Dienst des gesellschaftlichen Wandels

Zu lesen sind Geschichten, die wir bei inzwischen über 30 Vorträgen erlebt haben, und ein paar grundlegende Gedanken - zum Beispiel zu politischer Kunst, zu Möglichkeitsräumen und zu Verkörperung. Die Texte richten sich sowohl an potenzielle Veranstalter*innen als auch an Contacter*innen, die Ermutigung suchen, den getanzten Vortrag selber in die Öffentlichkeit zu tragen.

Herausgegeben von
contact bewegen e.V.,
Dresden, 2018; ca. 70 Seiten


Bestellungen per → Mail (gern auch in größeren Mengen zum Verbreiten auf Jams etc.). Beitrag nach Ermessen an den Verein contact bewegen e.V. (Kontonummer schicken wir bei der Bestellung), Empfohlener Preis 5,50€

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Rote Bete / Beet Red

ROTE BETE / BEET RED erzählt unter anderem davon, wie wir (Frauen) uns Generation für Generation unsere Körperlichkeit, unsere Zärtlichkeit in der Beziehung zu unseren Kindern zurückerobern. Das Büchlein ist zweisprachig, mit englischer Übersetzung (Beet Red) und richtet sich nicht ausschließlich an Frauen.

„Wird das so weitergehen? Wird sich das Leben der nächsten Generationen hier und da in einer Weichheit, einer Zärtlichkeit offenbaren, die den vorherigen unvorstellbar war?“

Das Heftchen haben wir in einer Auflage von 4000 gedruckt. Sie wollen in die Welt. Wir verschicken gern mehrere davon an Menschen, die Lust haben, sie weiterzugeben oder auszulegen - tauschlogikfrei. Wir vertrauen, darauf, dass ausreichend Spenden zu uns kommen. Bankverbindung findet sich im Büchlein.

Bestellungen per → Mail (bitte Postadresse und gewünschte Anzahl angeben)


Wenn wir wieder wahrnehmen
Warum wir spürende, sinnliche Menschen brauchen, um den Krisen unserer Zeit zu begegnen

Buchausschnitt

"Sehnsucht heißt eben nicht, dass ich mich verzehre nach etwas, das es gar nicht gibt. Unsere Zellen erinnern sich daran, wie es war, einfach nur Tier zu sein, Kreatur in einem weit verwobenen Lebensnetz. Sie erinnern sich an die Einfachheit und Unbedarftheit des Seins. Mit dem Dazukommen des Verstandes ist nun etwas von dieser Einfachheit gestorben. Unwiederbringlich. Es wird nicht wieder so sein wie vorher. Aber auch wenn wir uns momentan eingewickelt fühlen in die Kompliziertheit unseres selbstgestrickten Konstrukts, das wir Leben nennen, bedeutet das nicht, dass wir dieser Sehnsucht nach lebendigem Sein nicht folgen sollten. Es wird, es muss doch eine Art und Weise geben, wie wir Menschen uns der sinnlichen Geborgenheit im Lebensgefüge anvertrauen können und die Gabe des Verstandes dazu nutzen, dieses Glück noch zu steigern, weil wir es ja sogar bewusst erleben können und in der Lage sind, es aktiv mitzugestalten!"

Anliegen des Buches

Wenn wir wieder wahrnehmen möchte ein Weckruf sein. Kein Aufschrei, auch kein Aufruf zu panischem Aktionismus um kurz vor oder nach zwölf. Eher eine Einladung, innezuhalten und dadurch wach zu werden. Es möchte beschreiben, was uns abhanden gekommen ist – tiefes, bezogenes Wahrnehmen - und wie wir es wiederfinden können.



Mehr

Wir müssen anerkennen: Wie sich im Moment das gestaltet, das wir Leben nennen, dient nicht dem Leben. Wenn sich nicht etwas Wesentliches verändert an unserer Kultur, dann wird die Menschheit als kurze Episode in die Geschichte des Lebens auf diesem Planeten eingehen. Ein evolutionärer Irrtum, eine Sackgasse, die in absehbarer Zeit ein Ende finden wird, weil wir mit unserer Lebensweise sowohl anderes Leben vergiften und auslöschen, als auch in logischer Folge unser eigenes. Ohne anderes Leben können wir nicht sein. Der Klimawandel – als Symbol für die vielfältigen Krisen unserer Zeit – ist zwar in unser Bewusstsein gerückt, nicht aber die Einsicht, dass es darum geht, unser Verhältnis zum Leben, das ganze Narrativ, auf dem unsere Kultur fußt, grundsätzlich zu hinterfragen. Dazu fehlt uns die Zeit, wir sind gestresst, depressiv, stehen unter Druck und hecheln im Hamsterrad. Wir fühlen uns ohnmächtig, leiden unter den Lebensbedingungen unserer zivilisierten Welt und kreieren sie doch mit. Denn wir verkörpern diese Kultur und erschaffen sie durch unser Handeln jeden Tag neu, geben ihr Futter und Bestätigung. Wir selbst schaffen diese Kultur - nicht irgendwelche externen Kräfte. Wenn wir das begreifen und bereit sind, unsere Verzweiflung darüber zu spüren, erst dann kann sich etwas verändern – nicht oberflächlich, sondern grundlegend.Wenn wir wieder wahrnehmen ist ein Plädoyer dafür, dass wir Menschen unserem überbewerteten Verstand eine feine Wahrnehmungsfähigkeit und Sinnlichkeit an die Seite stellen, damit wieder in Balance geraten kann, was momentan in einer Schieflage steckt. Wie können Denken und Spüren in ein produktives Wechselspiel miteinander kommen und wie können wir aus so einer Haltung und Fähigkeit heraus die Welt lebensförderlich gestalten? Auf der Suche nach einer Antwort tauche ich ein in die Evolutionsgeschichte und beschreibe, wie in unserem hochentwickelten menschlichen Gehirn zugleich die Voraussetzungen für unser höchstes Potenzial wie auch die Gründe für unser Scheitern angelegt sind: Weil wir Menschen denken können, haben wir das Wahrnehmen vernachlässigt. Ohne wache Sinne hat der Verstand jedoch keine Basis, wir haben uns im wahrsten Sinn des Wortes entwurzelt. Je mehr wir denken, desto mehr glauben wir, alles kontrollieren zu können. Dieses Bedürfnis entspringt allerdings nicht unserer Souveränität, sondern unserer starken Verunsicherung und dem über die Jahre angehäuften (kollektiven) Trauma. Was dieser Kontrollzwang anrichtet, davon zeugen die vielfachen Krisen unserer Zeit. Ich komme zu dem Schluss, dass wir Menschen noch üben, das recht neue Werkzeug Verstand so zu nutzen, dass es uns und unserer Umwelt zum Wohl gereichen kann. Wir haben noch keinen angemessenen Umgang damit gefunden. In unserem Größenwahn versuchen wir, unseren animalischen, kreatürlichen Anteil zu verleugnen und unterdrücken gesunde Lebensimpulse. Also gilt es, die Errungenschaften des Verstandes mit unserer verleugneten Kreatürlichkeit bewusst wieder zu verweben, um in unser volles Potenzial hinein zu wachsen. Das erfordert Übung und die beherzte Entscheidung, gewohnte Pfade und damit auch liebgewordene vermeintliche Sicherheiten zu verlassen. Wenn ich ein Vertrauen in die eigene Wahrnehmung entwickle, kann ich der Welt begegnen wie sie ist und aus dem Moment heraus mein Handeln gestalten, anstatt in blindem Trott Gewohntes, aber Schädliches zu reproduzieren. Solche Übungsfelder habe ich persönlich im improvisatorischen Tanz gefunden und zu schätzen gelernt. Diese Erfahrungen aus solch einer prozesshaften, künstlerischen Haltung dem Leben gegenüber möchte ich teilen und die Leser*innen ermuntern, sich anstecken zu lassen vom Mut zu mehr Sinnlichkeit. Nicht, weil es das eigene Leben ein bisschen netter macht, sondern weil das Überleben der Menschheit davon abhängen könnte. Tiefer wahrzunehmen hat eine politische Dimension. Kulturwandel braucht eine Rückbesinnung auf die Weisheit, die allem Lebendigen innewohnt. Ich erzähle davon, wie ich der Sehnsucht nach Lebendigkeit in mir folgte und beschreibe, welche somatisch-künstlerisch-politische Praxis daraus erwuchs. Damit will ich nicht unbedingt zum Nachmachen anregen, vielmehr dazu, dem eigenen Ruf zu folgen. Wenn wir alle das in die Welt bringen, was sich richtig und im besten Sinn lebendig anfühlt, dann könnten wir auf dem Weg in eine lebenswerte und enkeltaugliche Welt sein.



Das Buch wird hoffentlich im Spätherbst 2020 in den Druck gehen. Wir werden, wenn es soweit ist, einen Aufruf für Vorbestellungen und/oder Direktkredite machen, um den Druck finanzieren zu können. Auch dieses Buch soll nicht zu einem Festpreis in die Welt.

Gern nehmen wir deine Email-Adresse in die Liste der Interessierten auf und melden uns, wenn du uns mit deiner Vorbestellung unterstützen kannst: kontakt@beruehrbarewelt.de


⚪ ARTIKEL IN ZEITSCHRIFTEN

„Performance zwischen Anmut und Artistik“
Info-Dienst Kulturpädagogische Nachrichten Nr. 32, März 1994

„Mit den Füßen tasten“
TPS (Theorie und Praxis der Sozialpädagogik), Nr. 3/2006

„Transformieren statt reparieren“
OYA Nr. 27, Juli/August 2014

„Bewegung – Berührung - Begegnung“
Leben mit Down Syndrom Nr. 183, September 2016

„Contact Improvisation als Gemeinschaftswahrnehmung“
OYA Nr. 43, Mai/Juni 2017

„Die Systemische Haltung verkörpern“
Systemische Pädagogik Heft 7, 1. Ausgabe 2017

Contact Quarterly
Beiträge für die englischsprachige Zeitschrift

Regelmäßiges in der Schweizer Zeitschrift „Zeitpunkt“
seit Nr. 147, Jan/Feb 2017, zu finden hier: www.zeitpunkt.ch

Außerdem

Im November 2017 habe ich einen offenen Brief an Frank-Walter Steinmeier geschrieben. Thema ist die Chance, die das Scheitern der Jamaika-Sondierungegespräche mit sich bringt. Auszüge daraus sind hier zu finden:
Blog der NGO "Mehr Demokratie"
Schweizer Zeitschrift ZEITPUNKT


⚪ SONSTIGE

Und du bist weg (Kindertheaterstück)

Uraufführung: Theater KARO ACHT, 2000
Die Inszenierung wurde zu mehreren Festivals eingeladen; die Arbeit am Text wurde gefördert durch das Stipendium Paul Maar des Zentrums für Kinder- und Jugendtheater in der Bundesrepublik Deutschland; der Stücktext wurde ins Verlagsprogramm des Harlekin-Verlags aufgenommen und erschien 2003 als Bilderbuch mit Illustrationen von Corinna Schmelter


Textprobe:
Ein
Bein
geht allein
querfeldein.
Nein!
Da kommt noch ein Bein.
Sie sind zu zwein.
Jetzt muss das Bein
nicht mehr allein
sein.

Geschichten vom Vögeln (Jugendtheaterstück)

Uraufführung: Stadttheater Hildesheim, 2003

Die Inszenierung wurde ausgezeichnet mit dem “Förderpreis Freie Theater 2004” der Niedersächsischen Lottostiftung und eingeladen zu den Festivals Triangel 2004 und Starke Stücke 2005, Jugendtheater des Monats in NRW 2006

Textprobe:
Alle reden immer von Sex und niemand tut es. Wahrscheinlich hat es noch nie irgend jemand auf der ganzen Welt wirklich getan.
Alle stellen sich’s vor und kriegen Herzrasen.
Alle träumen davon und wachen schweißgebadet auf.
Alle reden drüber:
Hingabe. Ekstase. Orgasmus.
Aber kein Mensch hat es je getan. Weil sie alle Schiss haben.

Frösche sind immer grün (Kindertheaterstück)

Uraufführung: Stadttheater Hildesheim, 2002

Fremdheit hat für Kinder eine ganz andere Dimension als für Erwachsene. Sie begegenen in ihrem Alltag ständig fremden Dingen, neuen Erkenntnissen, ungeahnten Zusammenhängen, die sie zwingen ihre Sicht auf die Welt zu revidieren. Je mehr sich das Weltbild aber im Laufe der Zeit festigt, desto fremder erscheint das Fremde. In diesem Stück erleben zwei sehr unterschiedliche Figuren die Konfrontation mit dem Fremden.


HEIKE POURIAN



⚪ BIOGRAPHISCHE ECKDATEN

Mein Leben war solange ich mich erinnern kann geprägt von einer Suche. Das kann doch nicht alles sein? Was uns hier als Welt präsentiert wird, als normal und richtig, ist doch nicht das, wofür mein Herz schlägt?
Im Rückblick auf über fünfzig Jahre wird deutlich, dass sich mein Lebensweg recht stringent immer diesem Thema, dieser Frage gewidmet hat - zwischendurch fühlte es sich auch mal ganz schön kurvig an und voller Umwege.

Geboren bin ich 1967 in Köln, mein Vater starb sehr früh, Umzug nach Oberbayern. Für die vielen dann kommenden Ortswechsel war ich selbst verantwortlich. Die Jugend bei den Pfadfinder*innen festigte meine Liebe zum Draußensein und bescherte mir prägende Erfahrungen über das Zusammenleben in Gruppen, die Begleitung von Jüngeren und den gemeinschaftlichen Umgang mit Verantwortung.
Abitur in Wales. Ein Jahr am Theater, Salzburg. Studium in Hildesheim, Dartington (GB) und Hamburg. Gremienarbeit. Basisdemokratische Theatergruppen. Ein inklusives Tanzprojekt. Studieren ging recht nahtlos in Arbeiten über. Meine offizielle Berufsbezeichnung lautet Dipl. Kulturpädagogin.

Was mich zu meiner Arbeit befähigt, habe ich allerdings zum größten Teil außerhalb der Uni gelernt (seit Jahren bringe diese Art des selbstermächtigten Lernens an Hochschulen und frage die Studierenden: Wofür brennst du?). Meine Lehr- und Wanderjahre dauern an. Aus den Erfahrungen des letzten ergeben sich Erkenntnisse für das nächste Projekt. Ich habe die Rolle der Lehrerin, Dozentin, Begleiterin gewählt, nicht um der Antworten, sondern um der Fragen willen. Mich interessiert der Prozess des Lernens: fragen, üben, forschen, vertiefen, neue Horizonte eröffnen, aus denen sich neue Sichtweisen, neue Fragen ergeben usw. Dankbar bin ich all jenen, von und mit denen ich lernen durfte. Meist fand das unplanbar statt und außerhalb jener Institutionen, die sich um meine Bildung kümmern sollten.

Meine größten Lehrmeister waren sicher meine Kinder Tim und Nomi (geboren 1995 und 98), die inzwischen erwachsen sind. Ihnen bin ich zutiefst dankbar für ihre offenen Herzen, ihre liebevolle Kritik und ihre unendliche Fähigkeit, Fehler zu verzeihen.

Nun, da meine aktiven Mutterjahre vorbei sind, geht meine ganze Kraft dahin, mir und anderen Menschen Räume zu eröffnen, die uns andere Wahrheiten erleben lässt, als eine leistungs-, profit-, konsum- und konkurrenzorientierte Gesellschaft uns für normal verkaufen will. Ich möchte meine Begeisterung und Leidenschaft der nährenden, lustvollen und lebensfördernden Entwicklung unseres Bewusstseins widmen. Wie sich meine Arbeit konkret gestaltet, darüber gibt diese Website ausführlich Auskunft.

Seit 2018 bin ich Mitglied der intentionalen Gemeinschaft Akademie für angewandtes gutes Leben, die sich von ganzem Herzen selbstermächtigenden Bildungsprozessen für Nachhaltigkeit widmet.

UMGANG MIT GELD

„Die traditionelle Logik von Besitz und Eigentum tut der Contact Improvisation nicht gut“
Danny Lepkoff

Statt fester Preise:
gib was du kannst

Ich wünsche mir einen anderen Umgang mit Geld und praktiziere deshalb seit 2013 eine andere Form von Kurs- und Workshopbeiträgen, über die ich sehr froh bin. Weil damit ein grundsätzliches Umdenken von vermeintlich Selbstverständlichem einhergeht, hier ein paar erklärende Worte:

Viele Vordenker*innen der ökonomischen Transformation stellen fest, dass Geld die Wirkung haben kann, Beziehungen zwischen Menschen zu kappen. Wir zahlen Geld für etwas und wollen damit quitt sein. Das kann sehr befreiend sein, aber auch einsam machen, denn wir leugnen damit die Tatsache, dass wir Menschen einander brauchen – etwas, das wir bei der Contact Improvisation als wahr und befriedigend erleben. Was geschieht also, wenn wir die gängige Logik von Geld als Gegenwert für in Anspruch genommene Leistung über Bord werfen?

Wir sind alle so gepolt, dass wir gern möglichst billig wegkommen wollen. Das legt uns das kapitalistische Denken nahe: „Achte auf deinen eigenen Vorteil!“ Was ändert sich, wenn wir stattdessen Geld geben, um Dinge möglich zu machen, die wir wichtig finden?

Wenn ich einen Preis bezahle, bin ich Konsument*in. Wenn ich etwas beitrage, übernehme ich Mitverantwortung für das Gelingen. Darum möchte ich dich bitten:
Gib im Rahmen deiner Möglichkeiten, um etwas stattfinden zu lassen, das du unterstützenswert findest. Für alle Kurse und Workshops gebe ich einen Richtwert an. Er bedeutet: wenn alle so viel geben, sind meine Unkosten gedeckt und ich kann gut davon leben.

Bleib aber nicht weg, weil du so viel nicht erübrigen kannst, ohne dass es wehtut, sondern komm auf jeden Fall (dein Wegbleiben hilft weder dir noch mir!) und gib was du kannst. Für das Buch gilt das gleiche Prinzip.

Einige Menschen haben entschieden, meine Arbeit (nach dem Vorbild der Solidarischen Landwirtschaft) mit einem monatlichen Beitrag zu unterstützen, egal ob oder wie oft sie kommen. Das ist unglaublich wertvoll für mich, gibt mir Sicherheit und ermöglicht mir, meine Arbeit weiterzuentwickeln und meinen Herzensanliegen treu zu bleiben, ohne darüber nachdenken zu müssen, ob sich das „lohnt“.

Danke an euch alle! Ich wünsche mir mehr davon und ich brauche es auch, denn es ist wirklich Pionierarbeit, die mit viel unbezahlter Überzeugungsarbeit einhergeht, z.B. die Leitung einer Kita zu überreden, eine Begegnung zwischen den Kindern und Contact-Tänzer*innen zu ermöglichen.

Mehr zum Umgang mit Geld in meinem Buch „Eine berührbare Welt“, z.B. an diesen Stellen:

CONTACT-GESCHICHTEN (braunes Heft), S. 84: „Ein Karton Eier“

CONTACT IN DIE WELT (türkises Heft), S. 84: „Gib was du kannst“ und S. 86: „Einen Beitrag leisten statt einen Preis bezahlen“

... und einige andere Textpassagen, die sich der Frage widmen, welches Bewusstsein für die Macht von Strukturen es braucht, um nicht mit unserer Contact- Praxis das (kapitalistische) System zu reproduzieren.

Glossar

Dieses Verzeichnis erhebt keinen Anspruch darauf, ein »Lexikon der Contact-Begriffe« zu sein, sondern will Menschen denen all die Wörter nicht geläufig sind, das Lesen der Website erleichtern.


Contact Quarterly
Die Zeitschrift mit dem mehrdeutigen Untertitel »A journal for moving ideas« (Eine Zeitschrift für Bewegungsideen, bewegende Ideen oder … um Ideen zu bewegen) erscheint inzwischen nur noch halbjährlich und ist zentrale Informations- und Diskussionsplattform der weltweiten Contact-Gemeinschaft. Herausgegeben in Northampton (USA) von Lisa Nelson und Nancy Stark Smith, erste Ausgabe 1975, zunächst als Newsletter. Seit einigen Jahren auch online: contactquarterly.com


Fall after Newton
(schwer zu übersetzen) Das Fallen nach Newton – Titel des Films, der Ende der siebziger Jahre aus vorhandenem Videomaterial zusammengestellt wurde, um die Entwicklung der Contact Improvisation in den ersten Jahren zu dokumentieren … Der Titel geht weiter: … or how does it feel to be the apple? (oder wie fühlt es sich an, der Apfel zu sein?). Der vollständige Text von Steve Paxton liegt in transkribierter Form vor (►Sourcebook 1, S. 142). Der Film ist auf youtube zu finden.


Focus Jam
Fokussierte Jam – Eine ►Jam, die mit einem klaren strukturellen Rahmen oder eine Verabredung, zum Beispiel eine Silent Jam (Jam ohne Musik und Gespräche am Rand) oder der ►Underscore.


Global Underscore
Jedes Jahr an dem Sonntag, der der Sommersonnwende auf der Nordhalbkugel am nächsten liegt, verabreden sich seit dem Jahr 2000 Menschen auf dem ganzen Globus, um vier Stunden lang simultan den ►Underscore zu tanzen (manche mitten in der Nacht) und umspannen mit dieser gemeinsamen Praxis den Erdball. Alle beteiligten Orte richten sich in einer vereinbarten Reihenfolge aus und blicken einmal um die Welt, anfangs in die eine, zum Schluss in die andere Richtung. >MEHR: globalunderscore.blogspot.de


Jam/Jammen
In Anlehnung an die Jam Sessions der Jazz-Musiker*innen: Offener Raum, in dem sich Praktizierende der Contact Improvisation treffen (Anfänger*innen und Fortgeschrittene gleichermaßen), um miteinander in wechselnden Konstellationen mit oder ohne Musik zu tanzen.


Lab/Labben
Labor (bzw. das Verb dazu: in Laborform lernen) – Ein Format, das versucht, einen Rahmen zu schaffen, das dem eigenständigen forschenden Lernen angemessen ist, nach dem die Pionier*innen einst suchten, und das im klassischen Unterricht eher zu kurz kommt. Im Lab wird auf Augenhöhe tanzend und reflektierend geforscht.


Lift
Hebung – wobei die übersetzung sehr irreführend ist. Wir heben eher nicht aktiv und mit Muskelkraft, sondern schlüpfen mit unserem Zentrum unter das der Partner*in oder wir verstärken eine vorhandene Aufwärtsbewegung. Ein Lift ist letztendlich jeder Moment, bei dem eine Tänzer*in den Boden nicht berührt und dabei den Körper der Partner*in als Unterstützung nutzt. Lifts kann man als ►Pathway üben, z.B. den Pelvis Lift (das Gewicht meiner Partner*in fällt durch mein Kreuzbein/Becken) und den Schulterlift (die Partner*in befindet sich auf meiner Schulter) – beide in allerlei Variationen.


Pathway
Eine mögliche und günstige Bewegungsabfolge, die ich als Ablauf üben kann, um mein Bewegungsvokabular zu erweitern; auf keinen Fall zu betrachten als Notwendigkeit, diese Ausgangssituation im Tanz immer so zu lösen.


Rolling point (of contact)
rollender Kontaktpunkt – Eines der Grundprinzipien der Contact Improvisation (erst im Laufe der siebziger Jahre formuliert): die Tanzenden berühren sich und lassen den Kontaktpunkt über ihre Hautoberfläche wandern (rollen) und setzen sich dadurch ständig neu zueinander in Beziehung. Oder anders herum: dadurch, dass eine*r der beiden sich bewegt, wandert der Kontaktpunkt und aus der Labilität der neuen Position entsteht weitere Bewegung.


Small Dance
Meditative Praxis, um den Tanz aus der Wahrnehmung entstehen zu lassen: Still stehen, die Muskulatur entspannen und den eigenen Körper dabei beobachten, wie er im Spiel mit den Kräften Balance und Aufrichtung gewährleistet. >MEHR: Kapitel »Small Dance« im schwarzen Heft oder ►Sourcebook 1, S. 23, 107


Sourcebook
Sammlung von Aufsätzen aus der Zeitschrift ►Contact Quarterly (Sourcebook 1: 1975-92, Source- book 2 1993-2007), wertvolle Archive, die zentrale Fragen und Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre dokumentieren und damit das Reflektieren der Contact-Praxis unterstützen. In der Literaturliste zu finden unter Nelson, Lisa/Stark-Smith, Nancy. Zu beziehen über contactquarterly.com


Underscore
mögliche übersetzung: die zugrundeliegende Partitur – Ein Rahmen für bewusstes ►Jammen, der die Phasen beschreibt, die man dabei durchläuft, und dadurch für Orientierung sorgt. Entwickelt im Laufe der neunziger Jahre von Nancy Stark Smith. Die Erklärung des Underscore und all seiner Phasen mitsamt Nancys Piktogrammen finden sich im Buch »Caught Falling« (Stark Smith/Kotteen 2008).


Warmup
Das Aufwärmen vor der ► Jam, die Vorbereitung von Körper und Geist. Der Frage, was ein Warmup denn sei und worauf es vorbereite, widmet sich Jörg Haßmann ausführlich und unterhaltsam in seinem Aufsatz
»I hate Warmups«